ANTIBIOTIKA

Antibiotika in derVogelmedizin

von Claudia Krobb und Roger Müller-CourteAuch die gründlichsten Vorbeugungsmaßnahmen können leider nicht immer verhindern, dass von Zeit zu Zeit einer unserer Vögel erkrankt. In diesem Fall sind eine genaue Diagnose der Ursache und eine umgehende und zielgerichtete Behandlung erforderlich. Die Diagnose sowie die Anordnung der Therapie sind hierbei von einem Tierarzt, möglichst einem Vogelspezialisten, durchzuführen.Leider kommt es immer wieder vor, dass gerade Vögelzüchter die Therapie - oft unter Vernachlässigng einer Diagnose, als Beispiel seien die von S. Kirschke in den AZ Nachruchten 10/97 beschribenen Praktiken genannt- selbst in die Hand nehmen und sich dabei nicht auf Maßnahmen der ersten Hilfe beschränken. Die Gründe hierfür sind vielfältig, so kann es gerade in ländlichen Regionen schwierig sein, einen auf Vögel spezialisierten Tier-arzt ausfindig zu machen und der normale Tierarzt kennt sich eventuell mit Vögeln schlechter aus als der Halter. Dass er sich trotzdem mit Krankheits-ursachen und Erregern, sowie der Wirkungsweise und Dosierung von Medikamenten besser auskennt als der Vogelhalter wird dabei gerne übersehen. Die Einstellung, dass es billiger ist, einen neuen Vogel anzuschaffen, als eine hohe Tierarztrechnung zu begleichen, ist wohl leider ein weiterer Grund, warum kranken Vögeln die notwendige medizinische Versorgung vorenthalten wird.Ein anderes gerne gebrauchtes Argument ist der in der Regel sehr  schnelle Krankheitsverlauf, der zwischen Erkennen der Erkrankung und den Tod des Vogels nicht viel Zeit läßt. Gerade deshalb ist aber eine möglichst genaue Diagnose und gezielte Behandlung notwendig. In der Behandlung kranker Vögel im eigenen Bestand setzen viele Vogelzüchter Antibiotika ein, besonders verbreitet ist wohl das Breitbandantibiotikum Baytril, welches von der Bayer AG, Leverkusen, hergestellt wird. Für alle diejenigen, die eine selbst abgefüllte Flasche im Kühlschrank lagern, hier ein hoffentlich augenöffnender Auszug aus der Packungsbeilage: " Vor Anwendung von Baytril sollte die Sensivität der Erreger durch Erstellung eines Antibiogramms geprüft werden. Da während der Behandlung Resistenzsteigerungen auftreten können, sollte Baytril erst nach bakteriologischer Sicherung der Diagnose sowie bei Vorliegen von Resistenzen gegenüber anderen Antibiotika  angewandt werden." Dies heißt, dass Baytril  ein Reserveantibiotikum ist, welches nur verwendet werden soll, wenn andere Mittel versagen und auch dann nur, wenn vorher sichergestellt wurde, dass es auch wirkt. Diese Voraussetzungen können nur in einem gut ausgerüsteten Labor überprüft werden. Es handelt sich bei den Antibiotika um eine wirkungsvolle und für die Therapie bakterieller Erkrankungen sehr wichtige Medikamentengruppe, deren falscher Einsatz aber leider fatale Folgen haben kann. In Pschyrembel Therapeutisches Wörterbuch, de Gruyter, Berlin,1998, werden Antibiotika folgendermaßen definiert: " Pharmaka, die in der Behandlung bakterieller Infektionen Anwendung finden; primär natürliche Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen, Bakterien und anderen Mikro- u.Makroorganismen ( Pflanzen ); (...) Früher wurden Antobiotika von den Chemotherapeutika ( z.B. Sulfonamide ) mit rein synthetischer ( chemischer ) Natur unter-schieden; prinzipell haben sie jedoch eine vergleichbare Wirkung gegenüber Bakterien. Heute werden sowohl voll- und halbsynthetische so-wie natürliche Produkte unter dem Begriff Antibiotika zusammengefaßt."Den Antibiotika ist also ihre Wirkung auf Bakterien gemeinsam. Dabei können verschiedene Wirkungsmechanismen unterschieden werden, zum Beispiel Hemmung des Aufbaus der Zellwände oder der Proteinsynthese. Desweiteren erfolgt eine Unterteilung in bakterizide und bakteriostatische Wirkungstypen. Erstere töten Bakterien ab, während letztere "nur" deren Fortpflanzung hemmen. Grundsätzlich werden durch eine Antibiotika-therapie  niemals sämtliche Krankheitserreger abgetötet, sondern es wird lediglich deren Anzahl verringert, so dass sie durch das Immunsystem des befallenen Organismus und die Konkurrenz mit ungefährlichen Bakterien weiter zurückgedrängt und schließlich eliminiert werden können. Je mehr  das Immunsystem des Patienten geschwächt ist, desto weniger sinnvoll ist der Ensatz bakteriostatischer Antibiotika.Bevor ein Antibiotikum zur Bekämpfung einer bakteriellen Infektion eingesetzt wird, sollte immer Antibiogramm erstellt werden. Ein Antibio-gramm ist das Ergebnis eines Labortests, bei dem die Wirksamkeit verschiedener Antibiotika auf den Krankheitserreger untersucht wird. Dieser Test ist notwendig, weil nicht alle Antibiotika sich auf alle Bakterien auswirken. Eine Kombination verschiedener Wirkstoffe kann dazu führen, dass dann keiner den gewünschten Effekt hat, weil sie sich gegenseitig behindern. Die freizügige Mischung verschiedener Medikamente bildet daher keine Alternative zur Erstellung eines Antibiogramms. Antibiogramme können nur von Fachleuten, also Tierärzten, Ärzten oder auch Mikrobiologen, mit einem enzsprechend ausgerüsteten LAbor erstellt werden. Ein Tierarzt, der nicht selbst über die notwendige Ausstattung verfügt, kann die Proben zum Beispiel an ein Veterinaeruntersuchungsamt einsenden, welches dann die Untersuchung durchführt. Die Kosten hängen vom Umfang der Untersuchung ab, wir haben in der Vergangenheit ca. 30 DM bezahlt. Wenn die Zeit drängt und der Vogel den Eindruck erweckt, dass eine sofortige Behandlung notwendig ist, kann der Tierarzt, wenn die Erkrankung auf eine bakterielle Infektion zurückgeführt wird, ein üblicherweise gegen den vermuteten Erreger wirksames Antibiotikum verschreiben ( kalkulierte Antibiotikatherapie ). Wird statt einer bakteriellen Infektion eine andere Krankheitsursache festgestellt, zum Beispiel ein Befall mit Kokzidien, kann diese sofort und gezielt mit den richtigen Medikaménten behandelt werden.Die Unempfindlichkeit eines Bakteriums odr eines Bakterienstammes gegen ein Antibiotikum nennt man Resistenz. Resistenzen können auf verschiedene Arten entstehen und weiterverbreitet werden. Man unterscheidet chromosomale Resistenz und plasmiddeterminierte Resistenz. Die chromosomale Resistenz entsteht durch Spontanmutation im Erbmaterial eines Bakteriums, die zufällig zu Unempfindlichkeit gegen ein bestimmtes  Antibiotikum führt. In einer Umgebung, in der das entsprechende Antibiotikum vorhanden ist, hat das resistente  Bakterium einen Selektionsvorteil gegenüber nicht resistenden Individuen seines stammes und das Resistenzgen verbreitet sich durch Vererbung immer weiter in der Population.Bei der plasmiddeterminierten Resistenz liegt das Gen, welches die Antibiotikaresistenz verursacht, nicht im Zellkern,sondern auf einem sog. Plasmidrig. Diese Plasmidringe können frei zwischen den Bakterien verschiedener Stämme ausgetauscht werden. Dadurch ist es möglich, das das Merkmal" Antibiotikaresistenz" von einem ungefährlichen auf einen krankheitseregenden Bakterienstamm üerspringt und schlagartig ganze Stämme vormals nicht resistenter Bakterienstämme  Resistenzen aufweisen.Während bei chromosomaler Resistenz meist nur ein Antbiotikum betroffen ist, führen die über Plasmidringe  übertragenen Gene oft zur gleichzeitigen Resistenz gegen mehrere Antbiotika. Neben der Übertragung von Resistenzgenen durch Vererbung und Übertragung von Plasmaidringen können diese weiterhin durch Viren oder infolge der Auflösung einer abgestorbenen Bakterienzelle, welcher Träger des Gens war, weiterge-geben werden.Das genetische Material kann in anderen Bakterien in deren Erbgut eingebaut werden. Die Enstehung antibiotikaresistenter Bakterienstämme wird durch die fehlerhafte Anwendung von Antibiotika unterstützt. Bei zu kurzer Anwendungszeit oder zu niedriger Dosierung werden viele Bakterien überleben, insbesondere diejenigen, die sich wenigstens in geringem Maße gegen den Angriff der Antibiotika wehren können.In der Folge hat man es dann mit einem Bakterienstamm zu tun, welcher weniger anfällig gegen das Antibiotikum ist und der in der Folge schwieriger zu behandeln ist. Dagegen hätte eine korrekt durchgeführte Therapie auch diejenigen Bakterien getötet oder an der Fortpflanzung gehindert, welche sich nur in begrenztem Maß wehren konnten. und damit die Bildung resistenter Stämme durch Selektion behindert. Wird von vornherein ein Antibiotikum eingesetzt, gegen welches der zu bekämpfende Krankheitserreger resistent ist,fördert man damit dessen weitere Ver-breitung, da das Antibiotikum in diesem Fall nur die Komkurrenz tötet und dem resistenten Erreger damit das Feld für die weitere Ausbreitung ebnet.Die immer weiter fortschreitende Verbritung antibiotikaresistenter Bakterien kann nur durch einen sinnvollen und sparsamen Einsatz von Antibiotika eingedämmt werden. Dazu gehören eindeutige Indentifikation der Krank-heitserreger ( Antibiotika wirken nicht gegen Viren oder Pilze ). Erstellung eines Antibiogramms, um das geeignete Antibiotikum herauszufinden und die Einhaltung der Behandlungsvorschriften ( Dosierung, Dauer ). Wer sich nicht an diese Spielregeln hält gefährdet nicht nur seine eigenen Vögel, sondern auch die seiner Züchterkollegen, auf deren Bestände sich die resistenten Bakterien leicht übertragen , zB. auf Vogelschauen oder bei Besuchen. Desweiteren können durch den Austausch von Genen zwischen Bakterienstämmen verschiedener Erregergruppen die Resistenzgene auch auf für den Menschen gefährliche Bakterien überspringen. So gefährdet man sich und seine Familie und muss vielleicht irgendwann feststellen, dass die Krankheit nicht mehr behandelt werden kann, weil keines der bekannten Antibiotika mehr wirkt.